Über Ehebruch ist schon viel geschrieben worden. Mit einem solchen beginnt der Roman „Der Papierpalast“ von Miranda Cowley Heller. Und dieser wird so ausführlich dargestellt, dass ich das Hörbuch beinahe gleich wieder zur Seite gelegt hätte, bevor die Handlung Fahrt aufnimmt. Zum Glück habe ich weitergehört! Ja, es geht letztlich um Ehebruch und die Liebe einer Frau zu zwei sehr unterschiedlichen Männern. Und ja, manches Detail des Sexlebens hätte man mir auch gerne ersparen können ebenso wie den häufigen Gebrauch des F-Wortes. Insgesamt ist dieser Roman aber wirklich gut und sehr klug konstruiert. Denn dieser Ehebruch geschieht nicht aus einer momentanen schwachen Stimmung heraus, sondern erklärt sich ganz zwangsläufig aus der Geschichte der Protagonist*innen. Und die hat es in sich und ist spannender als mancher Krimi.
Die 50-jährige New-Yorkerin Elle verbringt wie jedes Jahr mit Mann, Mutter und Kindern den Sommer auf Cape Cod, im Sommercamp ihrer Familie, das aus altersschwachen Hütten besteht und von allen liebevoll „Papierpalast“ genannt wird. Dieser Ort, malerisch an einem See und in der Nähe des Atlantiks gelegen, wird mit so viel Magie beschrieben, dass man sofort versteht, warum der „Papierpalast“ für mehr steht als ein Sommerquartier: Beständigkeit und Halt, existentielle Entscheidungen und Erfahrungen, Abenteuer und Gefahr.
Der beschriebene Ehebruch zu Beginn des Romans ist der Ausgangspunkt der Erzählung, die in der „Jetzt-Zeit“ nur 24 Stunden erzählte Zeit beansprucht, in denen sich Elle zwischen ihrem geliebten Ehemann, Vater ihrer drei Kinder, und ihrer Jugendliebe entscheiden muss.
Dafür blickt sie zurück auf ihr Leben und was hier zu Tage gefördert wird, ist starker Tobak: Einerseits wuchsen Elle und ihre Schwester Anna mit vielen Freiheiten auf, da die geschiedenen Eltern beide sehr mit sich und ihren wechselnden Partnern beschäftigt waren. Andererseits fehlten Beständigkeit und Schutz. Dies führte zu einem schlimmen Ereignis in Elles Leben, welches wiederum weitere Unglücke nach sich zog. Diese Geschichte entfaltet sich nach und nach und wird immer wieder mit den Ereignissen der Jetzt-Zeit verwoben, so dass sich ein unglaublicher Sog entwickelt und die Leser*innen nach und nach verstehen, warum alles so gekommen ist.
Kein oberflächlicher Wohlfühlroman mit ein paar Liebesszenen – dann hätte ich nicht so lange durchgehalten. Das Buch beschreibt Sommerleichtigkeit, Strandleben und BBQs auf der einen Seite und bietet gleichzeitig das Porträt einer dysfunktionalen Familie mit all ihren Vernachlässigungen und Demütigungen. Absolute Lese-/bzw. Hörempfehlung für Menschen, die klare und treffende Sprache, kluge Beobachtungen und tolle Naturbeschreibungen schätzen, denen aber auch als Sommerlektüre nur Heiterkeit und Frohsinn nicht ausreichen und die auch gerne mehr über die Abgründe dahinter erfahren.

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INFOS ZUM BUCH:
TITEL: DER PAPIERPALAST (THE PAPER PALACE)
AUTORIN: MIRANDA COWLEY HELLER
ÜBERSETZUNG: SUSANNE HÖBEL
SPRECHERIN: VERA TELTZ
VERLAG: HÖRBUCH HAMBURG
Erschienen: 31.03 2022
ISBN: 978-3957132734
Preis: 19,95 (download), 19,99 (E-Book)
Umfang: 701 Minuten, 449 Seiten
Hinweis: „Der Papierpalast“ wurde mir umsonst als Rezensionsexemplar vom Hörbuch Hamburg Verlag und netgalley.de zur Verfügung gestellt.
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