Spurensuche
In ihrem Roman „Rote Sirenen“ nimmt uns Victoria Belim mit auf eine sehr persönliche Reise in die Vergangenheit ihrer Familie. Die Autorin hat die Ukraine in ihrer Jugend verlassen und lebt inzwischen mit ihrem Mann in Belgien. Sie pflegt noch regen Kontakt zu ihrem Onkel Wladimir, der inzwischen in Israel lebt und die Geschehnisse in der Sowjetunion ganz anders einordnet als die Autorin. Dies führt zunächst zu einem Bruch zwischen den beiden. Als die Krim von Russland annektiert wird, beginnt Viktoria Belim sich stärker mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen und unternimmt mehrere Reisen in die Ukraine zu ihrer Großmutter Valentina. Dort stößt sie auf die Geschichte ihres in den 30er-Jahren verschollenen Onkels Nikodim und versucht mehr über die Hintergründe herauszufinden. Bei ihrer Recherche muss sie sich auch in das Haus mit den roten Sirenen, das Hahnenhaus begeben, das frühere Hauptquartier des sowjetischen Geheimdienstes, um Einsicht in alte KGB-Akten zu erlangen. Ihre Großmutter Valentina ist der Meinung, dass man die Vergangenheit ruhen lassen soll, das Hahnenhaus löst in ihr noch immer Angstgefühle aus. Und die Suche nach dem, was in der Vergangenheit passiert ist, erweist sich auch als schwierig und oft schmerzhaft, führt aber gleichzeitig bei der Autorin zu mehr Verständnis, dass in ihrer Familie nicht alle Ereignisse im gleichen Lichte betrachtet und bewertet werden.
Veränderte Vorzeichen
Belims Arbeiten an dem Buch begannen im Zuge der Annexion der Krim, weit bevor der aktuelle Krieg in der Ukraine 2022 begann. Wie sie selbst sagt, ist sie nicht sicher, ob sie das Buch unter heutigen Voraussetzungen noch in der vorliegenden Form schreiben könnte.
Deshalb fügt sie der eigentlichen Rahmenhandlung des Buchs, den Gesprächen mit Waldimir, noch einen weiteren Rahmen in Form eines Vor- und Nachwortes bei, um ihre Geschichte in den aktuellen Kontext einzuordnen.
Als Journalistin vermittelt uns Belim bei dieser persönlichen Spurensuche in der Vergangenheit umfangreiches Hintergrundwissen zum Leben und den Geschehnissen in der Sowjetunion, aber auch zur Ukraine zum Zeitpunkt des Verfassens ihres Romans. Für mich wäre das Buch vielleicht noch ein wenig fesselnder gewesen, wenn ich das Gefühl gehabt hätte, etwas näher an die Charaktere heranzukommen.
Hörbuchversion
Mein ganz besonderer Tipp ist die Hörbuchversion vom Aufbau-Verlag. Ich habe dem Vortrag der Sprecherin Jana Kozewa sehr gerne zugehört.

INFOS ZUM HÖRBUCH:
TITEL: ROTE SIRENEN
AUTOR: Victoria Belim
ÜBERSETZUNG: Ekaterina Pavlova
SPRECHERIN: Jana Kozewa
VERLAG: AUFBAU AUDIO
Erschienen:16.01. 2023
ASIN : B0BSQQVNJT
Preis: Audible Abo* (60 Tage frei testen, dann 9,95 pro Monat), 22,00 Euro (gebundenes Buch), 16,99 Euro (ebook)
Umfang: 10h 41 min
Hinweis: „Rote Sirenen“ wurde mir umsonst als Rezensionsexemplar von Aufbau Audio und netgalley.de zur Verfügung gestellt.

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